Kaiserschnitt nach Hellp-Syndrom

 

 

 

Geburt von Kenai Acun

 

Das ganze war im Januar 2017. Achtung langer Text...

 

Meine komplette Schwangerschaft über hatte ich mich über die bevorstehende Geburt meines ersten Kindes informiert. Ich las Ratgeber, besuchte Geburtsvorbereitungskurse, machte Sport und ernährte mich gesund. Mit meinem ganzen Körper stellte ich mich auf eine harmonische, unkomplizierte und natürliche Geburt ein. Und dann kam alles ganz anders...

 

Ich war 35 bei der Geburt. Ich war gesund. Ich war jung. Ich habe die Schwangerschaft über viel Sport gemacht. Ich habe die besten Vitamine genommen, habe jedes Produkt verwendet, um Dehnungsstreifen zu vermeiden. Ich habe Stunden in Geburtsvorbereitungskursen verbracht, jedes Buch gelesen, das es gibt und die "natürliche Geburt" förmlich studiert und war bei drei Ärzten regelmäßig zur Kontrolle und zum Blut abnehmen. Und trotzdem endete es bei mir mit einer mehr als traumatischen Geburt.

 

So einen Fall wie mich hat die Klinik höchstens einmal im Jahr und mich kannte bei der Entlassung das ganze Krankenhaus.

 

Vier Wochen vor dem errechneten Termin bekam ich heftige Oberbauchschmerzen und wir fuhren ins Krankenhaus. Was dann folgte ist kaum zu glauben.

 

Notkaiserschnitt, innere Blutungen, zwei weitere Operationen, über 50 Bluttransfusionen, Leberversagen, Nierenversagen und eine kollabierte Lunge, 2 mal 72 Stunden Dialyse danach noch 2 mal für je 3 Stunden, 8 Tage Koma, mehrere Narben am Bauch, Schläuche in so ziemlich jeder natürlichen und künstlich gelegten Körperöffnung, 4 Wochen Klinik und nur eine 10%ige Überlebenschance. Diagnose der Ärzte: Hellp-Syndrom in der schwersten Form, das sich innerhalb weniger Stunden gebildet hat. Eigentlich hatten sie mich schon aufgegeben. Nur ein noch in der Testphase befindliches Gerinnungsmedikament konnte mich retten und die Blutungen endlich stillen.

 

An all das kann ich mich nicht erinnern. Meinen letzten wachen Moment hatte ich kurz nach Ankunft im Krankenhaus bei der ersten Untersuchung. Zwischen diesem Moment, und dem was ihr gleich lesen werdet, kann ich mich nur an ein paar Situationen erinnern, die für mich voller Schmerzen waren und ich zum Glück an einer Hand abzählen kann...

 

Nach 8 Tagen bin ich aus dem Koma aufgewacht. Nach 10 Tagen habe ich mein Kind das erste mal bewusst gesehen. Nach zwei Wochen saß ich mit viel Hilfe das erste Mal an der Bettkante, gestanden habe ich einige Tage später. Die ersten Schritte machte ich mit Hilfe eines Rollators nach knapp drei Wochen. Zwischendurch hat mich nach der vierten Dialyse eine schwere Influenza zurück geworfen und alle Anstrengungen bis dahin waren umsonst.

 

Der Leiter der Intensivstation wollte mich in eine Uniklinik verlegen, weg von meinem Kind und meinem Freund, die dank des Gynäkologen die ganze Zeit in der Klinik bleiben durften. Aber keine Klinik wollte mich haben... In dieser Nacht wurde mir trotz ZVK im Hals 10 mal Blut an x Körperteilen abgebommen. Nach über zwei Wochen habe ich das erste Mal meine Narben gesehen und habe nur geheult. Außer der Kaiserschnittnarbe ziert mich noch eine Narbe vom Schambereich bis zur Brust hoch. Ich konnte nicht glauben, dass ich das sein sollte. Nach drei Wochen komnte ich endlich wieder meinen Darm kontrollieren und wurde auf die Entbindungsstation verlegt.

 

Nach fast vier Wochen konnte ich mein Kind das erste mal alleine halten - für eine ganze Minute für ein Foto.

 

Und ich schaffte es wieder alleine aus dem Bett und die paar Schritte zum Bad oder zum Esstisch. Einen Tag vor der Entlassung konnte ich dann auch meine Blase wieder kontrollieren. Am Tag der Entlassung hatte ich Panik. Wie sollte das alles zu Hause funktionieren? Wie sollte ich mein Kind halten, wickeln oder gar tragen können? Wie sollte ich gesund werden und mich gleichzeitig um ein kleines Wesen kümmern, den Haushalt schmeißen und alle meine nun folgenden Arzttermine unter einen Hut bringen? Ich sollte, und ich konnte! Dank der vielen Unterstützung meiner Familie!

 

Sie haben sich so liebevoll um meinen Kleinen gekümmert, als ich es nicht konnte. Sie haben vier Wochen lang jede freie Minute im Krankenhaus verbracht und auch danach so wahnsinnig viel Zeit für uns aufgebracht. Meine Niere wird mir mein Leben lang Probleme bereiten und ich muss nun regelmäßig zum Nephrologen. Meine Blase habe ich erst ein halbes Jahr nach der Krankenhausentlassung wieder gespürt und musste regelmäßig auf Verdacht auf Toilette gehen. Auch meine roten Blutkörperchen waren fast ein Jahr lang noch nicht normal. Alkohol ist Dank meiner zum Teil abgestorbenen Leber nun auch tabu.

 

Aber das Wichtigste ist: meinem kleinen Sohn ging es von Anfang an gut! Ich kann den Ärzen der Klinik gar nicht genug danken, auch den Schwestern und Pflegern auf der Intensivstation - ohne sie wäre ich heute nicht mehr am Leben... Und egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit meine Familie mit meinem Kind kam, sie durften immer auf die Intensivstation rein.

 

 

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© Kristina Wierzba-Bloedorn