Katzenfabel

 

 


Das Katzen-Experiment

Nach der Katzenfabel von Magdalene Weiß,
erzählt von Beate Switala.


Katzen gelten als gute Gebärerinnen. Und alle, die Katzen kennen, wissen, daß Katzen zum Gebären Ungestörtheit und Ruhe brauchen. Und oft ist das erste Bild, das bei dem Gedanken an eine Katzengeburt vor dem inneren Auge entsteht, daher das von einem Schuhkarton, kuschelig ausgepolstert, der in einer versteckten, dunklen Ecke steht, vielleicht in einem Kleiderschrank.

Denn alle, die Katzen kennen, wissen, daß bei einer Katze, die man beim Gebären stört, die Kontraktionen aufhören. Oder daß es sein kann, daß sie ihre Jungen nicht annimmt.
Und da Gedankenexperimente „Was hätte sich wie entwickelt, wenn …?“ zu Schlußfolgerungen führen können, möchte ich nun einfach dieser Frage nachgehen:
Was hätte sich wie entwickelt, wenn sich von langer Zeit eine Gruppe von Wissenschaftlern dazu entschlossen hätte, das Gebärverhalten von Katzen zu erforschen?

Natürlich hätten die Katzengeburten zu Studienzwecken vom Schuhkarton im Kleiderschrank ins Labor verlegt werden müssen. Und um alles gut beobachten zu können, wäre das Labor selbstverständlich hell erleuchtet gewesen.
Auch wären die Katzen für eine genauste Überwachung mit vielen Kabeln an Monitore angeschlossen und für einen bequemen Handlungsspielraum auf erhöhte rundumzugängliche Tische gelegt worden. Für ein eventuelles Eingreifen hätten sie prophylaktisch einen venösen Zugang gelegt bekommen.
Den Katzen fremde Labortechniker wären Tag und Nacht ständig ein- und ausgegangen, um jeden Moment des Geburtsverlaufes genaustens zu dokumentieren.

Die Studie hätte bedenkliche Ergebnisse geliefert, wie alle, die Katzen kennen, wahrscheinlich schon vermutet haben. Es hätte sich gezeigt, daß Katzen häufig nur schlecht gebären können, die Geburtsarbeit überwiegend unkoordiniert verlief, die Geburten lange dauerten, manchmal mittendrin abbrachen und in Folge dessen auch die Herztöne der ungeborenen Kätzchen regelmäßig schlecht wurden, medizinische Interventionen oft notwendig waren.
Die Studie wäre daher bald mit veränderter Fragestellung weitergeführt worden. Die Wissenschaftler hätten nun wissen wollen, denn sie hätten ja wirklich nur die besten Absichten gehabt, mit welchen Medikamenten oder medizinischen Maßnahmen sich die Ergebnisse der Katzengeburten verbessern lassen könnten.
Bald hätten sie über die Möglichkeiten hochentwickelter Geburtstechnologien veröffentlicht. Die Medien hätten diese Erkenntnisse gestreut. Und sehr schnell hätten alle, die ihre Katzen liebten, diese zur Geburt ins Labor gebracht, denn es hätte als der sicherste Platz gegolten.

Und diese Entwicklung wäre weiter voran geschritten. Das Labor wäre im Laufe der Jahre immer wieder erweitert worden. Immer mehr Zweigstellen, auch an anderen Orten, hätten eröffnet. Und überall wäre immer mehr Personal angestellt worden. Eine Interessengruppe hätte eine Kostenübernahme durch alle Tier-Krankenversicherungen erreicht. Denn schließlich hätte eine solche Geburtstechnologie auch finanziell ihren Preis.
Irgendwann wäre die erste Generation der Techniker alt geworden, in den Ruhestand gegangen. Und die zweite, dann die dritte, vierte Generation, nicht nur die der Techniker, sondern auch die der Katzenfreunde, hätte von Geburten im Schuhkarton immer weniger gewußt. Das Wissen, das alle, die Katzen kennen haben, dieses Wissen darum, was Katzen zum Gebären brauchen, wäre mit jeder Generation mehr und mehr verloren gegangen.
Währenddessen hätten die Wissenschaftler, sehr zufrieden mit sich selbst, jetzt das Ziel, die Art und Weise ihrer Labor-Geburtsmedizin noch weiter zu entwickeln. Denn schließlich hätten sie oft bei Komplikationen wie Geburtsstillstand oder schlechten Herztönen das Leben der Katzen und ihrer Kätzchen gerettet. Wie sie mit der immer weiter ansteigenden Rate der Schnittentbindungen hätten beweisen können.

So wäre es dazu gekommen, daß irgendwann der Wunsch nach einer Geburt im Schuhkarton, mit Verweis auf die Forschung, als eine gefährliche Idee gegolten hätte. Und nicht nur die Wissenschaftler, sondern auch alle, die ihnen geglaubt hätten, wären schließlich absolut davon überzeugt gewesen, daß Katzen auf keinen Fall ohne Technologie gebären können.

Wir alle, die evolutionsbiologisch zu den Säugetieren gehören, sind hormonell und daher auch von unseren Grundbedürfnissen mit den Katzen vergleichbar.

 

 

 

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© Kristina Wierzba-Bloedorn