Im Jahr 2013 habe ich an einem kalten Wintertag meine kleine Tochter nach zwei vorherigen und ungeplanten Kaiserschnitten spontan und in der tiefen Hocke geboren. Sie wog mehr als meine beiden
anderen Kinder und es ging ihr gut. Dieses wunderbare Gefühl nach der Geburt, dieses kleine Wesen auf meiner Brust und diese unglaubliche Freude darüber, eine spontane Geburt geschafft zu haben,
werde ich nie vergessen. Und ich darf dem zufügen: auch die Zeit der Wehen war wunderschön. Ich habe mich so gewärmt, behütet, geliebt, umsorgt, weiblich, sinnlich und toll gefühlt. Ich werde die
Erinnerung an diese Stunden für den Rest meines Lebens nie mehr vergessen und es bereichert mich, meine Tochter, meinen Mann und eigentlich uns alle als Familie jeden Tag.
Ich will nicht verschweigen, dass der Weg hin zu diesem positiven Geburtserlebnis lang war und durchaus auch schwer. Eine spontane Geburt nach zwei Kaiserschnitten ist in diesem Land noch immer
selten und auch ich musste mir z.B. Zweifel von anderen Menschen anhören. Weil ich aber immer dieses innere Wissen hatte, dass mein Körper leicht gebären kann, bin ich auf die Suche gegangen, was ich
brauche, um diesen Weg gehen zu können. Und ich habe viele Jahren Antworten gesammelt, um dann das zu filtern, was für mich wichtig ist.
Die Erfahrung und auch die Wissenschaft zeigt, dass Frauen gut gebären können, wenn man(n) sie denn lässt. Im Kern bedeutet dies, dass die Frau sich während der Schwangerschaft und besonders
der Geburt geliebt und wohl fühlen sollte. Sie sollte das Gefühl der Geborgenheit haben und sich selbstbestimmt fühlen.
Unsere derzeitige Geburtshilfe begünstigt den pathologischen Verlauf einer Geburt. Das Gefühl von Zeitdruck z.B. ist in der Regel Gift für eine gebärende Frau. Menschen, die unachtsam gegenüber einer
gebärenden Frau sind, können mit ihren Worten dazu beitragen, dass Geburten stoppen und Kinder nicht geboren werden wollen, Frauen nicht gebären möchten. Eine Frau, die Angst hat, wird kein Kind zur
Welt bringen. Deshalb sind die Menschen, die während einer Geburt anwesend sind, so wichtig.
Und jeder und jede, die bei einer Geburt dabei war, die dann im Kaiserschnitt endete, muss sich danach die Frage stellen: was habe ich dazu beigetragen, dass diese Frau sich nicht als Königin gefühlt
hat und diese Geburt im OP geendet ist?
Ich sehe nicht nur Ärzte in dieser Verantwortung. Ich kenne so viele Geschichten, wo Hebammen durch unachtsame Äußerungen und unüberlegtes Handeln dazu beigetragen haben, dass Geburtsverläufe
pathologisch wurden oder gar im OP geendet sind.
Eine Frau, die eine VBAC plant, ist in diesem Land zusätzlich vielen Belastungen ausgesetzt. Sie gilt als Risikopatientin und in vielen Krankenhäusern gelten starre Regeln für den Wehenverlauf bei
Zustand nach Sectio: z.B. fahren viele Frauen erneut in den OP, wenn der Geburtsfortschritt mehr als eine Stunde stockt.
Trotzdem glaube ich, dass es absolut wichtig ist, dass auch die Frau sich kritisch mit sich selbst und den vorherigen Geburten auseinandersetzt. Wer die Schuld und Verantwortung nur bei
anderen sucht, rennt in eine Sackgasse.
Der Weg für eine VBAC braucht Zeit. Wer z.B. aus dem Trauma des „aufgezwungenen“ und ungeplanten Kaiserschnittes heraus, im Wunsch, eine vaginale Geburt zu erleben, schnell wieder schwanger wird, geht wie auf Glatteis. Wunden brauchen zunächst Aufmerksamkeit und liebevolle Gesten, um verheilen zu können. Narben bleiben immer, aber es sind andere Voraussetzungen, wenn eine Frau sich Zeit schenkt für diesen Prozess, bevor sie erneut und anders diesen Weg gehen möchte. Und eine vaginale Geburt nach Kaiserschnitt braucht selbstbewußte Frauen, die sehr deutlich sagen, was sie wollen. Das setzt aber voraus, dass eine Frau sich ausführlich mit den Möglichkeiten (Geburtsorte, Geburtsbegleiter, …) befasst und möglichst objektiv aufgeklärt ist, ihre Optionen kennt. Erst dann kann sie sich für oder gegen etwas entscheiden.
- Wo soll mein Kind zur Welt kommen? Welche Geburtsorte gibt es in meiner Umgebung? Möchte ich eventuell weiter fahren, um mein Kind so zu gebären, wie ich es will? Wäre dies realisierbar?
- Wer soll dabei sein? Möchte ich eine 1:1-Begleitung durch eine Hebamme? Soll der Vater meines Kindes dabei sein? Will ich von einer Doula begleitet werden? Sollen andere Freunde oder
Familienmitglieder dabei sein? Oder möchte ich möglichst viel allein sein?
- Wie will ich mein Kind gebären? Welche Positionen finde ich angenehm? Will ich an Land oder im Wasser gebären?
Und eine Geburt ist eben nicht nur ein körperlicher Vorgang. Und die entscheidende Frage, die sich Frauen ehrlich stellen müssen, ist: Was brauche ICH, um gut gebären zu
können?
- Welche Art von Menschen brauche ich? Habe ich den Mut, auch Menschen abzulehnen, die von mir erwarten, dass sie bei der Geburt meines Kindes dabei sein werden, obwohl ich dies eigentlich nicht
angenehm empfinden würde?
- Welche Untersuchungen möchte ich und welche lehne ich ab?
- Welche meiner Entscheidungen bei vorherigen Schwangerschaften/Geburten, haben dazu beigetragen, dass ich mein Kind im OP zur Welt gebracht habe?
- Wovor hatte und habe ich Angst?
- Will ich mein Kind durch meine Vagina gebären? Oder gibt es Dinge, die mich bewusst oder unbewusst blockieren?
- Will ich gebären oder mich ent-binden lassen?
- Wie denke ich über meine Vagina, meine Gebärmutter und Eierstöcke, wie über das Stillen?
Frauen, die sich vor diesem Prozess verschließen, haben meiner Meinung nach, schlechtere Voraussetzungen, spontan zu gebären.
Befassen sich Frauen nicht mit all diesen Aspekten, dann bedeutet dies NICHT, dass sie automatisch einen Kaiserschnitt haben werden.
Eine Geburt ist nicht planbar.
Ich kenne Frauen, die z.B. nur wenige Monate nach dem Kaiserschnitt wieder schwanger wurden und ohne große Vorbereitung 9 Monate später gut und unkompliziert z.B. im Kreißsaal geboren haben. Wie eine
Schwangerschaft und Geburt verläuft, hängt von vielen Aspekten ab und es gibt viele Möglichkeiten, zum Ziel zu kommen.
Ich wünsche Euch auf Eurer Suche nach Eurem Weg von Herzen alles Gute!