13. April 2017
Ich arbeite seit 10 Jahren als Doula und habe in dieser Zeit sehr viele Bücher rund um das Thema Geburt verschlungen. Ich durfte Nora Imlaus neues Buch zum Thema Geburt lesen und bin begeistert.
Das Buch teilt sich in drei Abschnitte auf.
Im ersten Teil geht es um das Thema "Vorbereiten".
Nora Imlau beschreibt darin, warum positive Geburtserlebnisse wichtig sind und geht auf unterschiedliche Möglichkeiten ein, sich auf die Geburt vorzubereiten. Sie erwähnt die Möglichkeit eines Geburtsplans und erläutert auch, warum es dennoch wichtig ist, offen zu sein für alles und weshalb eine Geburt immer auch trotz bester Vorbereitungen ein Wagnis bleibt. Der Wert des Geburtsplans liegt in der Beschäftigung mit all seinen Möglichkeiten vor der eigentlichen Geburt.
Weiter beschreibt sie die verschiedenen Phasen während der Geburt und was zu den unterschiedlichen Zeitpunkten im Körper der Frau geschieht. Die Leserinnen können dazu passend gezeichnete Bilder z.B. zu unterschiedlichen Geburtspositionen finden.
Sie geht sehr gut auf das Geheimnis guter Geburtsbedingungen ein und beschreibt Möglichkeiten im Umgang mit dem Geburtsschmerz. Auch das Thema Kaiserschnitt wird an dieser Stelle genauer beschrieben: Nora Imlau schreibt über den Ablauf eines Kaiserschnitts, was an Vorbereitungen notwendig ist, was während der eigentlichen Geburt geschieht und welche Abläufe den Verlauf danach prägen. Abgerundet wird dieser Abschnitt von Fotos einer Kaiserschnittgeburt, die den Leserinnen ein friedliches Bild dieser Geburtsform vermitteln. Die wunderschönen Fotos der Fotografin Kerstin Pukall geben übrigens dem ganzen Buch eine besondere Note.
Die Autorin versäumt es nicht, sich kritisch und dennoch sachlich und undogmatisch mit den Ursachen für die steigenden Sectiozahlen und den Risiken, die diese Geburt mit sich bringt, auseinander zu setzen. Mich freut an dieser Stelle die Liste mit der Auflistung einzelner Aspekte, die das individuelle Sectiorisiko einer Frau senken können.
Danach folgt eine Darstellung der unterschiedlichen Geburtsbegleiter. Als Doula freut es mich hier besonders, dass neben Ärzten und Hebammen und Doulas aufgezählt werden. Nora Imlau schreibt über die Kosten für eine Doula, die in Deutschland (wie in den meisten Ländern) eine reine Privatleistung sind. Leider erwähnt sie nicht, dass der Verein Doulas in Deutschland e.V. für Frauen in schwierigen finanziellen Situationen eine Möglichkeit geschaffen hat, die Kosten für die Doula anteilmäßig oder ganz zu übernehmen.
Im zweiten Teil geht es um das Thema „Erleben“.
Nora Imlau listet hier alle Möglichkeiten zu den verfügbaren Geburtsmöglichkeiten bzw. Geburtsorten auf. Völlig selbstverständlich stehen hier außerklinische und klinische Optionen nebeneinander. Sie schildert ausführlich die Vor- und Nachteile aller Wege und dies auch sehr umfassend: Neben der Allein-, Haus- und Geburtshausgebut beschreibt sie die Varianten der klinischen Geburtswege (Schichtdienst, Beleggeburt und Kaiserschnitt). Abgerundet werden alle Erklärungen durch persönliche Schilderungen von Frauen, die ihr Wissen zu der jeweiligen Geburtsform mit der Autorin und damit auch mit den LeserINNEN teilen. Besonders zu erwähnen sind hier die Ausführungen zu speziellen Geburten, wie z.B. Geburten unter Hypnose, Geburten nach vielen Interventionen (Dammschnitte, Zangengeburten, …) und auch Wunschkaiserschnitte. Mir gefällt, dass hier wirklich alle Möglichkeiten genannt und möglichst objektiv beschrieben werden. Dadurch wird den Frauen ein machtvolles Instrument an die Hand gegeben, womit sie umfassend informiert sind und selbstbestimmt ihre Entscheidungen treffen können. Meiner Meinung nach ist dies der Schlüssel zu einem guten Geburtserlebnis.
Der dritte und letzte Teil widmet sich dem Thema „Verarbeiten“.
Nora Imlau schreibt hier über Gefühle nach der Geburt und wie diese durch gesellschaftliche Erwartungen beeinflusst werden. Sie gibt Tipps zur Verarbeitung des Geburtserlebnisses und nimmt Frauen in ihrem unterschiedlichen Erleben ernst. Danach schildert sie die körperlichen Veränderungen der Frau und scheut sich nicht, auch Themen wie z.B. die veränderte Sexualität nach der Geburt des Kindes anzusprechen. Das Kapitel wird an dieser Stelle durch das Thema Gewalt in der Geburtshilfe abgeschlossen und gibt einem Tabu ein Gesicht, was bei den meisten Menschen eher ungläubiges Staunen hervorruft. Sicher werden bei diesem Punkt besonders Frauen dankbar sein, darüber zu lesen, die dies selbst erlebt haben, weil es ihnen das Gefühl geben kann, dass sie mit dieser Erfahrung nicht allein sind und ihre erlebte Gewalt während der Geburt als Solche auch benannt wird.
Das Nachwort zu diesem Buch hat der Kinderarzt und Autor Dr. Herbert Renz-Polster geschrieben, dessen Frau auch über den Verein Doulas in Deutschland e.V. als Doula ausgebildet wurde. Er bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, dass Geburt ein "Hochseilakt zwischen zwei Extremen" sei: der Kraft und Energie und gleichzeitig der Hingabe, Entspannung und Geborgenheit. Es folgt dann zum Abschluss noch eine Liste mit gut ausgewählten Buchempfehlungen. Auch hier stehen wieder Titel z.B. zu Hausgeburten und einer krtischen Auseinandersetzung mit der gängigen Geburtshilfe und Literatur z.B. zum Thema Wunschkaiserschnitt nebeneinander.
Nora Imlau ist ein informatives, gut recherchiertes, undogmatisches, vielseitiges und tolles Buch rund um das Thema Geburt gelungen. Ich werde es immer gern Familien empfehlen.